02.12.2006
Laudatio zu Ehren der Mitglieder
des 1. Offenbacher Doppelkopfvereins
Eine Laudatio, so lautete die Bitte des Vorstands. Der Wortstamm – laudare – ist lateinischen Ursprungs und bedeutet → loben oder preisen im Sinne von anpreisen. Also eine Lobrede. Nun haben wir das alle vermutlich schon einmal am Geburtstag eines Familienmitgliedes oder eines guten Freundes gemacht – meistens aus dem Stegreif, kurz formulierte Freundlichkeiten, die häufig auch ein wenig zu rosa zeichnen. Aber das Hohelied auf eine Organisation, einen Verein ? Das ist üblicherweise die Sache einer Person aus dem öffentlichen Leben, IHK-Vertreter bei Unternehmen, dem Bürgermeister bei kommunalen Einrichtungen oder dem Pfaffen – für die das Loben und Preisen ja Alltagsgeschäft ist – bei irgendwelchen Jubiläen im Seniorenheim.
Man bereitet sich mit dem Studium der Annalen des Jubilars ordentlich vor, berichtet z.B. über Startschwierigkeiten / erste Hürden. Einen Vortrag, den wir vor gut einem Jahr ja erst von einem der Gründungsväter des 1. Offenbacher Doppelkopfvereins von 1981 gehört haben.
Du kannst über die Highlights der Vereinsgeschichte berichten, etwa als Carola anno 1989 unter Aufbietung Ihrer herausragenden körperlichen und geistigen Präsenz im Endspiel der Deutschen Mannschaftsmeisterschaften einem pubertären Frankfurter Heckenpenner in der letzten Runde das Pflichtsolo umgedreht hat und damit den Gesamtsieg für die Offenbacher Farben sicherte. Wo Licht ist gibt es auch Schatten, deshalb dürfen natürlich auch Downlights nicht fehlen, die bei Auswärtsfahrten leider immer dann offenkundig wurden, wenn Karl, der Offenbacher deutliche Konzentrationsmängel aufwies, weil dem Wirt in der zurückliegenden Nacht plötzlich und unerwartet die Herrengedecke ausgegangen sind.
Fehlen darf in einer solchen Lobrede natürlich auch nicht der Hinweis auf die soziale Funktion und Aufgabe des Vereins, insbesondere im Hinblick auf die Jugend oder in unserem Fall müsste man sagen, die jüngeren Mitspieler, zu denen sich mein Jahrgang ja noch zählen darf.
All das – Ihr Lieben – werdet Ihr heute nicht von mir hören.
Eine Lobrede auf den Verein heißt zunächst einmal eine Lobrede auf uns. Wir sind nicht nur Deutschland und das Volk, wir sind auch der Verein und mit uns steht und fällt diese Gemeinschaft. Und das sind am Jubeltag:
– Annette die Meisterin der ♥ im Jubiläumsjahr
– Dieter Mr. President, der fränkische Punktejäger
– Beate unsere nachdenkliche Bankerin
– Erich unser jovialer Spätbekenner
– Christel das Multitalent, das sich nie ärgert
– Frank der Schweiger für die 1. Runde
– Elfi unsere schlagfertige Haarkünstlerin
– Herbert der Dauersolirer mit den schlüpfrigen Witzen
– Gisela meine ganz persönliche Herzdame
– Jochen Smoking Jo, unser Mann für die letzte Runde
– Hedy unsere Schnellzählerin, die die 60 nicht sagt
– Ingrid unsere liebenswerte background-Organisatorin
– Lothar was wäre Doko ohne seine Erklärungen
– Jutta unsere Jungunternehmerin in Zeitnot
– Norbert ein Hase als Frauenversteher
– Thomas einen Ordnungshüter braucht jeder Verein
Was bewegt und motiviert uns, was treibt uns in verräucherte Hinterzimmer irgendwelcher Spelunken, die wir sonst nie im Leben betreten würden.
Stundenlange, ja tageweise ausgedehnte Gelage, in denen ein Laufpensum von 100 m schon übertrieben ist, nächtelange Rhönwurzexzesse, in denen der Wirt gegen 4 Uhr früh ermüdet aufgibt, noch eine last-order genehmigt und uns ansonsten gewähren lässt.
Herausgerissene Bäume, eingeknickte Strommaste, zerstörte Zelte, fliegende Dachziegel und Motorräder halten den Hardcore-Doppelköpfer nicht von seiner Leidenschaft ab. Das beschädigte Auto kann morgen noch repariert werden, schnell werden ein paar Kerzen zur Notbeleuchtung aufgetrieben und los geht`s.
Was sind das für Menschen, die einem solchen Hobby triebhaft frönen, Ihre freie Zeit opfern, sich zum Teil gegen Familie und Freunde und ganz sicher gegen wesentlich gesündere Aktivitäten entscheiden.
Wir schlagen uns Stunden, Tage und Nächte um die Ohren, natürlich freiwillig und ohne Zwang, suchen im Verein einen Rahmen, alle bindende Spielregeln und das Gefühl von Spannung und Freude, das wir mit anderen teilen können. Ein wenig auch eine Flucht aus dem alltäglichen Leben, wir genießen ganz bewusst das „Anderssein“, anders zu sein als Wanderer, Sänger oder Hühnerzüchter.
Durch die Bank sind wir Spieler – vielleicht auch Zocker – mit einer pathologischen, zwanghaften Sucht zum Spielen, die durch die Unfähigkeit gekennzeichnet ist dem Drang zu widerstehen und ihre besondere Ausprägung darin findet permanent befriedigt zu werden.
Aber warum gerade Doppelkopf, warum nicht Schach, Monopoly oder Skat? Was ist das faszinierende an diesem, unserem Spiel? Der Welt da draußen, einem Nichtgläubigen, Nichtinfizierten oder Laien genau das zu erklären ist schwierig. Vermutlich haben wir es alle schon einmal versucht und uns anschließend gedacht, dass es eigentlich unvollkommen war und der Bazillus nur halbwegs rübergeflogen ist.
Die Faszination dieses Spiels ist in der Tat mit Worten kaum zu erklären, auch fehlt das Spontanerlebnis, wo ein Schalter umgelegt wird und es Klick macht. Vielmehr ist die Liebe zum Doko ein Prozess, ähnlich einer Schwangerschaft, es braucht seine Zeit, eben ein Reifeprozess. Abwechslungsreich, mit unglaublich vielen Varianten, unterschiedlichen Kartenverteilungen und Spielkonstellationen.
Jede Erklärung bestimmter Spielabläufe ist nur dann richtig und vollständig, wenn die Vielzahl der Ausnahmen und Sonderfälle gleich mit erklärt wird. Selbst mit schlechten Karten besteht die Möglichkeit über einen guten Partner oder übermütige Absagen der Gegenseite einen positiven Spielausgang zu gestalten.
Da sind wir beim Punkt, Doko ist ein Partnerspiel. Davon gibt es eine ganze Reihe, aber anders als zum Beispiel im Bridge, wo Partnerschaften für den Rest des Kartenspielerlebens verabredet werden, kennen wir im Doko die wechselnden Partnerschaften.
Keine festen Bindungen, Zweck- leider aber gelegentlich auch Zwangsgemeinschaften, die sich von Spiel zu Spiel verändern können.
Wer hat nicht schon insgeheim auch im richtigen Leben davon geträumt. Nicht bis der Tod euch scheidet, sondern situativ, ein Kommen und Gehen, Hallo und Auf Wiedersehen. Es gelingt kaum ein richtiges Feindbild aufzubauen, weil Feind im nächsten Moment schon Freund sein kann.
Wie in jeder Beziehung steht und fällt die Qualität mit der partnerschaftlichen Kommunikation. Das Sender/Empfänger –Modell. Der Übertragungskanal sollte die gespielte Karte in der Tischmitte sein, nur bei Falschspielern ist es die Hand am Herz oder auf der Schulter. Also, diese Karte enthält kodierte Informationen, die der Sender dem Empfänger mitteilt. Wichtig dabei ist das Sender und Empfänger die gleiche Kodierungssprache verwenden. Ein höchst theoretischer Ansatz, der – ihr ahnt es schon – in der Praxis nur selten funktioniert.
An diesem Punkt spitzt sich unser Partnerschaftsmodell zu. Leider gibt es eine ganze Reihe von Kodierungssprachen, die wahlweise und offenbar auch völlig intuitiv verwendet werden. Das führt wie in jeder schlechten Beziehung zu Verständigungsproblemen, unvollständigen Botschaften, bis hin zu Schuldzuweisungen und Verwerfungen.
Neben den unterschiedlichen Kodierungssprachen gibt es aber auch eine ganze Reihe anderer partnerschaftlicher Probleme.
Schlafmützigkeit, Schwatzhaftigkeit, Ablenkung durch Kiebitze oder das Dekollete der an Süd sitzenden Hammerblondine, Denkblockaden oder auch 998 ‰ Restblut im Rhönwurz, für fehlerhafte Informationen oder Informationsverarbeitung sind Dokospielers Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Angereichert wird die Zahl der Missverständnisse auch durch die übliche Frau/Mann-Thematik, Sammlerin und Jäger – wie Caveman das formuliert. Das Zurückhalten von Informationen, die weitere Absagen erlauben. Die uralte Diskussion ein Blatt und damit die Anzahl der möglichen Punkte auszureizen oder sich auf der sicheren Seite zu bewegen. Unsere Carola sagt dazu: „Ei, weesche dem aane Punkt“.
Neben diesen objektiven Information gibt es – wie wir alle wissen – auch eine ganze Reihe von subjektiven Signalen, die der leidenschaftliche Dokospieler sendet. Etwa durch die Lautsprache.
Hecheln, wie im Schwangerschaftsvorbereitungskurs, lautes Wehklagen oder Stöhnen, Jawoll- oder Bravorufe, andere Beifallskundgebungen – wie ein feinsinniges „Superb“. Bei unserem Karl heißt das „Dadruff wart` ich schon die ganz Zeit, des hab` ich am Anfang schon angezeischt“. Für den störungsfreien Ablauf des Dokospiels sind das nicht gerade erwünschte Informationen, aber der leidenschaftliche Zocker hat es eben auch schwer sein Temperament zu zügeln.
Um einiges feinsinniger sind die lautlosen Gemütsregungen, die bei fast allen Spielern zu beobachtenden Gesichtsdeformationen.
Der geöffnete Mund drückt nicht nur gerade abwesende Intelligenz, sondern vor allen Dingen Erstaunen über das aktuelle Spielgeschehen aus, die gerümpfte Nase deutet nicht nur auf unangenehme Ausdünstungen des Nachbarn hin, sondern zeigt offene Ablehnung und Widerspruch, weit aufgerissene Augen sind in höchstem Maße zweideutig, können sie doch sowohl grenzenlose Freude als auch panische Angst signalisieren, die hochgezogenen Augenbrauen verkleinern nicht nur die Denkerstirn, sondern stellen Fragen über Fragen, die erst in der anschließenden Verlängerung – dem so genannten Nachkarten – Beantwortung finden.
Für einen Gesichtsforscher ist der Doppelkopfspieler ein nicht zu übertreffender Idealfall, spontane Mumifizierungen würden der Nachwelt einen Fundus an Informationen über unser Spiel liefern. Nun – Ihr Lieben – ich will zum Ende kommen. Bei all den Punkten, die nicht in eine Laudatio passen – und davon gäbe es aktuell sicher eine ganze Reihe – werde ich vornehme Zurückhaltung üben. Schließlich sind wir zum Feiern hier und nicht zum Diskutieren. Einen Punkt, der mir auch persönlich sehr am Herzen liegt, möchte ich aber doch noch herauspicken.
Wir sind in den letzten Jahren Nomaden geworden, Nichtsesshafte wie das im Behördendeutsch heißt. Zuletzt unfreiwillig, hin und wieder aber auch gewollt. Ich glaube, dass viele Dinge einfacher laufen, wenn wir eine stabile Plattform, ein festes Zuhause haben, eine Ecke für Vereinsinfos, übrige Utensilien bis hin zur Ehrentafel, die vermutlich noch heute in Bieber hängt. Vielleicht ist das ein erster Schritt auch andere Punkte wieder ins Lot zu bringen.
Damit soll`s genug sein – liebe Doppelkopffreunde.
Bleibt mutig und stark, hebet das Glas und höret einen Trinkspruch.
Zieht auch so manches Falten wir bleiben stets die Alten
Doppelkopf heißt unser Spiel nur selten wird uns das zu viel
Nicht immer sind wir vorn dabei
aber wir sind Meister, Deutscher Meister der Feierei
2.12.2006
Ali B.